Tag des deutschen Brotes: Echtes Brot & richtige Semmeln – rares kulinarisches Kulturgut

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerkes hat den 5. Mai zum „Tag des deutschen Brotes“ ausgerufen – Zeit für ein paar gastrosophische Gedanken zu einem kulinarischen Kulturgut, das zusehends zur Rarität wird und unaufhaltsam, so scheint es verloren zu gehen droht.


Bauernbrot_rund
Brot ist ein Ur-Lebensmittel und Sauerteig-Brot, das vorwiegend aus Roggenmehl besteht, ist wohl schon vor über 5.000 Jahren gebacken worden.

SAMSUNG CSCDie Semmel – außerhalb Bayerns „Brötchen“ – besteht hingegen aus Weizenmehl, deren Urväter vermutlich die Römer waren, haben Sie doch in der Antike auf dem Gebiet des heutigen Bayern Weizen angebaut. Daraus stellten sie „Simila“ -feines Weizenmehl- her, das im Althochdeutschen dann zu „Semela“ -weißes Gebäck- wurde. Zur Semmel Gebäck aus weißem Weizenmehl– war dann der Weg nicht mehr weit.
Im Norden hingegen gab es nur den groben Roggen und keinen Weizen, was erklärt, warum es die Semmel auch nur im bayerischen und österreichischen Sprachgebrauch gibt (siehe: Hubers Bairische Wortkunde, Gerald Huber, Volk Verlag München, 2013 S. 22-25).

Brot- und Semmelvielfalt

Wohl kaum ist die Brot- und Semmelvielfalt woanders größer als in Deutschland – vermeintlich, denn das was an „Vielfalt“ bei uns in den Auslagen der meisten Bäckereien liegt, ist nichts anderes als industriell vorkonfektionierte Einheitsware, die uns in Form von Backmischungen für Brot und eingefrorenen Teiglingen für Brötchen und Semmeln im Gewande von „Vielfalt“ und „Ofenfrische“ untergejubelt wird.

Gutes Brot will Weile haben

SAMSUNG CSCBrot-Designer entwerfen in den Laboren der Lebensmittelindustrie „Designer-Brote“ nach den Vorgaben der Bäckereien und versorgen sie anschließend mit den dazugehörenden Backmischungen.
Effizienter geht es nicht!
Allerdings, was dabei bei uns Kunden landet, hat mit dem Ur-Lebensmittel Brot wenig gemein!

Wer gutes und bekömmliches Brot backen will, braucht Zeit, Zeit zum Vorbereiten und Gehenlassen des Teiges, Zeit zum Backen…
GärkorbDie industrialisierte Bäckerei hat jedoch keine Zeit für lange Gär-, Reife- und Backprozesse. Je länger aber ein Teig gehen und ruhen kann, desto mehr Geschmack kann das Brot entfalten. Besinnt sich ein Bäcker auf das traditionelle Bäckerhandwerk, bedeutet das ein Vielfaches an Mehrarbeit und Zeiteinsatz mit einhergehender Verringerung der „Vielfalt“ im Brotregal.
SAMSUNG CSCDafür aber bekommt man Brot, das ausschließlich aus Mehl, Wasser, Salz und Sauer-Ansatz (Starter –Kultur aus Hefen und Milchsäurebakterien) besteht. Brot, das allenfalls mit Mehl aus alten, fast schon ausgestorbenen Raritäten wie Emmer, Einkorn, Rot- und Blaukornweizen oder Dinkel verfeinert wurde, Brot, das auch nach zwei Tagen noch saftig und gut schmeckt.
Mit der Rückbesinnung und Wiederentdeckung dieser alten Getreidesorten zum Brotbacken geht auch einher, dass alte Rezepturen wiederbelebt werden und so traditionelles Bäckerwissen vielleicht nicht gänzlich verloren geht.

Kulturgut Semmel

IMG_4031Nicht besser als dem Brot ergeht es der Semmel-Kultur. Auch eine richtig gut schmeckende Semmel ist zwischenzeitlich zu einer Rarität geworden, die unaufhaltsam, so scheint es, vom Aussterben und damit dem Vergessen bedroht ist. Alte Semmelsorten haben es schwer in einer Zeit, wo Backöfen hinter der Ladentheke beständig „frische“ Brötchen aus eingefrorenen Teiglingen ausspucken.
Harte Zeiten für Milchbrot, Maurersemmel oder Schuastabuam. Ihre Herstellung kostet Zeit und das traditionelle Wissen, wie sie gemacht werden. Und genau das ist fast schon verloren gegangen.
Eine nach alter Bäckertradition hergestellte Semmel kann in Schnelligkeit und Effizienz und im Preis nicht mit einer Industrie-Semmel herhalten.

SlowFood_Button Geschmacklich ist eine bayerische Traditions-Semmel aber mit nichts zu vergleichen. Wir haben nur den Geruch und Geschmack schon vergessen oder, die Jüngeren ihn nie richtig kennengelernt.  Slow Food® engagiert sich daher für den Erhalt der „Münchner Brotzeitsemmel“ und hat sie im letzten Jahr in die „Arche des Geschmacks“ aufgenommen.

Eiweckerl, Eiersemmel oder Milchbrot

SemmelnDas Eiweckerl, Eiersemmel oder Milchbrot, wie es in Regensburg genannt wird, gehört zu jenen Traditions-Semmeln.
Sie haben so eine besondere Konsistenz – innen sind sie weich, aber nicht so fluffig wie eine Glatte Semmel, und außen sind sie auch nicht rösch (knusprig), und trotzdem sind Milchbrot in keinster Weise labberig, nein, im Gegenteil, das Feste, fast Speckige schmeckt mir ganz besonders gut.

Es gibt sie zum Glück noch, Bäcker, die Milchbrot backen können. Zum Beispiel in einer ganz kleinen Bäckerei in Regensburg gibt es noch richtiges Brot und echte Semmeln. Wenn man die „Bäckerei Hummel“, ansässig in einem alten Stadthaus fast direkt an der Donau am Unteren Wörd betritt, fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt. SAMSUNG CSC
Ein ganz kleiner Verkaufsraum, wie‘s halt früher so war in einer Bäckerei. Im Hinterraum sieht man, wie die Frau vom Bäcker am offenen Gasherd brutzelt, zwischendrin bedient sie die Kunden.
Bei meinem ersten Besuch waren die Milchbrot schon ausverkauft, sowieso werden die nur noch Samstags gebacken und dann muss man sie unbedingt vorbestellen, weil sie ruckzuck ausverkauft sind.

Resteverwertung

Der Geschmack und damit der Genuss eines „richtigen“ Brotes oder Semmel darf nicht in Vergessenheit geraten! Dafür müssen wir Kunden aber auch akzeptieren und uns bewusst machen, dass es teurer, die Auswahl an Brotsorten im Ladenregal überschaubar und es am späten Nachmittag vielleicht schon ausverkauft ist bzw. die Brötchen nicht mehr „ofenfrisch“ sind. Was aber zugleich den Vorteil hat, dass nicht soviel weggeworfen werden müsste.
Apropos Wegwerfen – altes Brot und Semmeln auf keinen Fall wegwerfen – eine unsinnige Verschwendung von Nahrungsmitteln, denn man kann soviele herrliche Gerichte damit zubereiten!

Fangen wir mal mit alten Semmeln an:

Als allererstes seien hier die Spinat-Knödel erwähnt – übrigens das erste Rezept, das ich für My Cookery Log ® aufgeschrieben habe!
SAMSUNG CSCIm Grunde genommen, alles was mit Knödeln zu tun hat, wie Semmelknödel, die passen z.B. zum Bayerischen Schweinebraten oder zu einer Pilz-Rahmsoße (bayerisch Schwammerlbria), Käse-Nocken oder Wirsing-Rouladen mit Semmelknödel-Füllung, verlangt nach dem sogenannten „Knödel-Brot“, wie es in Bayern genannt wird. Das sind alte Semmeln/Brötchen, die in ganz dünne Scheiben geschnitten werden, mancherorts kann man das Knödel-Brot sogar noch beim Bäcker bekommen.

Es gibt natürlich auch Süßspeisen wie den Semmelschmarrn SAMSUNG CSCmit Apfel- oder Zwetschgenkompott, auch Arme Ritter genannt, oder den Kirschenmichel, für die man Semmeln mindestens vom Tag davor braucht.
Übrigens es gibt nichts Unverfälschteres als alte Brötchen zu Paniermehl zu reiben, das braucht dann weder Antiklump- noch Konservierungsstoffe noch sonst welche Chemie!

Mit altem Bauernbrot lassen sich genial einfache und doch köstliche Suppen zubereiten, wie z.B. die Bäuerliche Zwiebel-Brotsuppe oder den Klassiker Französische Zwiebelsuppe.

IMG_4071Brot selber Backen

Wer sich einmal an ein eigenes Sauerteig- oder Weißbrot wagen will, dem sei das aufs wärmste empfohlen. Das geht im Prinzip ganz einfach – siehe dazu auch demnächst den Artikel im Magazin von My Cookery Log® – was man eben braucht, ist ein bisschen Geduld, weil, wie schon gesagt, so ein Brot in Ruhe gehen und reifen will, erst dann gibt es seinen ganzen Geschmack und Saftigkeit preis.
Und ja, ein bisschen Übung schadet auch nicht – die Mühe, sein Brot selbst zu backen lohnt sich aber in jeden Fall!
Der Biss in ein selbstgebackenes Natursauerteig-Brot, vielleicht mit etwas Butter und ein wenig Salz bestreut oder der Biss in ein frisches Weißbrot, das in natives Oliven-Öl getaucht wurde, bereitet ein unvergleichliches Geschmackserlebnis!

My Cookery Log® I einfach smart kochen

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